Wadi Rum, Jordanien

Merlin’s Wand

Super Crack of Rum.

Ich ziehe den Reisverschluß von unserem Zelt auf – vor mir steht ein Kamel und wippt bedächtig von einem Bein auf das andere. Welcome to Jordan!

Endlich ist es so weit. Nach vielen Wochen der Vorbereitung auf diese Kletterexpedition stehen wir nun mitten in der Wüste, vor uns die gewaltigen Felsenmassive des Jebel Um Ischrin und Jebel Rum mit ihren vielen abstrakten Felsstrukturen, die in dieser Gegend so typisch sind. Hier wollen wir in den nächsten Wochen unsere Grenzen ausloten. Das Wadi Rum mit seinen benachbarten Trockentälern („Wadis“) ist eines der gewaltigsten Klettergebiete, die die arabische Welt zu bieten hat. Die Sandsteinmassive ruhen auf einem Granitsockel und bieten anspruchsvolle alpine Kletterei in gigantischen Verschneidungs- und Riss-Systemen. Der Sandstein zeigt sich in allen erdenklichen Formen und Farben – von rotem über weißen, gelben und lilanen Fels bis hin zum Perlmutt-Look bietet der Fels alle Facetten.

Das Gebiet erblickte 1984 durch die Engländer um Tony Howard das Licht der Kletterwelt und unterliegt folglich auch britischer Kletterethik sowie strenger Bewertung von cleanen Routen. Aber auch die bekannten Remy-Brüder sowie Wolfgang Haupolter und Albert Precht haben hier ihre Spuren hinterlassen.

Nach einigen Tagen Kletterei im Wadi Rum wechselten wir – hochmotiviert und ausgerüstet mit genügend Proviant und Wasservorräten – das Tal und zogen weiter in eine enge Schlucht – den Barrah Canyon, wo wir den Klassiker „Merlin’s Wand“ klettern wollten. Hier am Jebel Abu Judaidah spaltet ein teilweise überhängender Riss das komplette Felsmassiv in zwei Teile. Die Route bietet elegante Kletterei und fantastische Aussichten in die Schlucht.

Neben der Kletterei in steilen Wänden gibt es viele uralte Bedouinenrouten, welche die Nabatäer (ein arabischen Nomadenstamm, der hier um die Zeitenwende lebte) auf der Suche nach Wasserstellen nutzten. Auf deren Spuren versuchen wir in einer 11stündigen Tour die West-Ost-Überschreitung des gesamten Jebel Rum-Massivs inklusive Gipfelbesteigung. Das Problem bei den Bedouinenrouten besteht nicht etwa in der Kletterschwierigkeit, sondern viel mehr in der komplizierten Orientierung und Routenfindung. Die Jebel Rum Traverse ist eine sehr abwechslungsreiche Route durch zahllose Canyons, die man über Felsbändern quert oder miteinander verbindet. Man durchkreuzt eine riesige Domelandschaften auf dem Gipfelplateau, die in ihrer Gesamtheit einem einzigen Puzzle gleicht – der Suche nach dem richtigen Weg. Und eine Frage bleibt bis zum Schluss: schaffen wir unseren Weg aus diesem gigantischen Irrgarten wieder heraus? Die Tour gelingt gerade so – bei einsetzender Dunkelheit meistern wir die letzte Abseillänge und erreichen im Scheine der Stirnlampen unser Zeltlager. Abends genießen wir die arabische Kultur mit ihren überaus gastfreundlichen Jordaniern und fühlen uns in diesem Land stehts willkommen.

Eckdaten

Erstmal die Lage checken:

Anreise:

Mit dem Flieger bis Amman, weiter mit dem Bus über den Desert Highway Richtung Aqaba und Saudi Arabien, an der Kreuzung Rashdiya aussteigen und die letzten 20 km bis nach Rum trampen.
Standortwechsel innerhalb der Wadis funktioniert prima mit Kamel oder Jeep.

Bester Zeitpunkt:

Mitte Oktober bis Ende November

Schwierigkeit:

PD – ED+

Länge:

Mehrseillängen-Routen bis 700 m in Sandstein aller Couleur.

Absicherung:

Die Routen sind clean, mobile Absicherung heikel bis super! Stände und Abseilvorrichtungen müssen teilweise verbessert oder selbst eingerichtet werden.

Hinweis:

Teilweise sehr abrasiver Sandstein!

Ausrüstung:

60 m Doppelseil, 1 Satz Klemmkeile, 1 Satz C4-Camalots bis einschl. #5 (C3-Camalots oft von Vorteil), viele Schlingen und Reepschnüre

Unsere Routen-Highlights:

» Merlin’s Wand, The Beauty, Lionheart, Jebel Rum Traverse, Thamudic/Western Safari, The English Way und Sheikh Hamdan’s Route

» Tony Howards Website (www.nomadstravel.co.uk)

» Topo: Verlag Cicerone Press (www.cicerone.co.uk)

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