Urner Alpen, Schweiz

Salbitschijen, 2981 m

Salbitschijen Westgrat, erster Versuch

„Wir hätten es geschafft!“ Wir hätten, wenn … naja, es kamen halt ein paar Dinge dazwischen. Den Anfang machte die Biwakhütte, von der aus wir eigentlich starten wollten. Fünf Minuten vom Einstieg entfernt, wäre sie eine ideale Übernachtungsmöglichkeit für die bevorstehende lange Klettertour. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Hütte aber noch zur Reparatur im Tal und sollte erst am darauffolgenden Wochenende von einem Helikopter an ihren entsprechenden Platz geflogen werden.

Wir zogen es deshalb vor, von der Salbithütte aus zu starten. Der aus diesem Grund zweistündige Zustieg durch die frühen Morgenstunden verlängerte sich um eine weitere halbe Stunde, da wir den Einstieg zum Kettenweg bei der Dunkelheit schwer finden konnten. Eine weitere Stunde hat uns ein Verhauer am dritten Turm eingebracht. Den Ausschlag für den weiteren – von da an ungeplanten – Verlauf hat aber letzten Endes der Wetterumschwung gegeben, der uns hinter dem vierten Turm zu einer ungeplanten Zwangspause verhalf.

Eine englische Seilschaft hinter uns zog es vor, während des Regens abzuseilen und die Tour zu beenden. Nachdem es die Regenwolken dann aber endlich über die Gipfelnadel des Salbits schafften, wurde es schlagartig schön. Wir warteten noch eine Weile, bis der Granit mit seinen schmierigen Flechtenkissen etwas abtrocknete, denn die vor uns liegende Seillänge war eine steile Reibungsplatte. Weiter unten im Tal sahen wir die Engländer bei schönstem Sonnenschein zurück zur Hütte laufen – die armen Kerle, dachten wir noch flüchtig. Dann setzten wir unsere Kletterei fort. Eine Stunde und einen Turm später überraschte uns eine weitere hinterhältige Unwetterfront und zwang uns hinter dem fünften Turm endgültig zum Abbruch der ganzen Unternehmung.

Beim Abseilen in die Scharte zum letzten Turm verfing sich dann leider unser Zwillingsseil und wir brauchten elendig lange, um es wieder frei zu bekommen. Zwischenzeitlich hatte uns dann die Dunkelheit eingeholt. Schnell waren wir uns einig, dass ein Abseilen in diesem Gelände nun sehr gefährlich sein würde und beschlossen, in der Scharte zu biwakieren. Gut ausgerüstet für dieses Vorhaben – wir hatten beide eine Regenjacke und noch genug zu Trinken – suchten wir uns ein Felsband, wo wir vor Regen und Steinschlag geschützt waren. Durch die Schräge des Bandes verbrachten wir die nicht enden wollende Nacht jedoch recht ungemütlich sitzend und ohne Schlaf.

Als es dann am darauf folgenden Tag schließlich doch noch hell wurde und wir – ziemlich gerädert von der ganzen Aktion – unsere Knochen wieder langsam bewegten, war uns gar nicht mehr nach Klettern zu mute. Total übermüdet machten wir uns daran, den Berg wieder heil hinunter zu kommen. Der Plan war, durch die Scharte abzuseilen, um dann weiter unten auf einen Weg zu kommen. Das gelang schließlich auch und gegen Mittag liefen wir beide recht müde auf der Salbithütte ein. Die folgende Nacht in einem warmen Bett war uns also sicher.

Im Nachhinein war es, obwohl wir den Gipfel nicht erreichten, eine wunderschöne Tour und mit ein bisschen Wehmut denke ich daran, wie es wohl gewesen wäre, wenn wir am zweiten Tag noch bis auf den Gipfel geklettert wären.

Westgrat reloaded, zweiter Versuch

Im Juni 2011 sind wir wieder in die Route eingestiegen und haben den Westgrat in gut 15 Stunden geklettert. Das entspricht bei 32 Seillängen einer Durchschnittszeit von 14 Minuten pro Person und Seillänge – sicher noch verbesserungsfähig, aber auch nicht schlecht für eine selbst abzusichernde 1000 m lange Kletterroute.

Eckdaten

Erstmal die Lage checken:

Begehung:

16. Juni 2006, zusammen mit Dirk Emrich (bis Turm V)
26. Juni 2011, zusammen mit Dirk Emrich (komplette Begehung)

Erstbegehung:

1948 durch Berthe Favre und Louis-Maurice Henchoz

Ausgangsort:

Vom Göscheneralptal zur Salbithütte (2105 m), von dort in ca. 1,5 Std. zum Einstieg. Alternativ dazu gibt es 5 min. vom Einstieg auf 2400 m eine Biwakhütte (kein Wasser vorhanden).

Bester Zeitpunkt:

Juni bis Juli wegen dem langen Tageslicht

Schwierigkeit:

Französisch 6b, A1 (5c+ obl.)

Länge:

32 Seillängen, 1000 m

Absicherung:

Alle Stände sind mit Bohrhaken eingerichtet, die Seillängen müssen mit mobilen Sicherungsgeräten abgesichert werden. Einige Bohr- und Normalhaken vorhanden, stellenweise findet man noch alte Holzkeile.

Ausrüstung:

50 m Doppelseil, 1 Satz Klemmkeile, C4-Camalots 0.1–3, Schlingen

» Hans Berger, Salbithütte (www.salbit.ch)

» Topo: Verlag Edition Filidor (www.filidor.ch)

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