Senja, Norwegen

Eisige Zeiten über dem Polarkreis

Senja Island wohnt ein Zauber inne.

Weit über dem Polarkreis am 69. Breitengrad liegt Norwegens zweitgrößte Insel Senja. Komprimiert auf einer Fläche von 1500 km2 bestimmen hier auf spektakuläre Weise steile Bergflanken und Fjorde das Landschaftsbild. Die Insel scheint übersättigt mit Wasser: Überall findet man Eisfälle und vereiste Rinnen jeder Schwierigkeit – fantastische Herausforderungen für Eiskletterer und ambitionierte Winterbergsteiger.

Die Wetterprognose für unseren Trip war anfangs denkbar ungünstig: Nach einer Phase heftigen Schneefalls und hoher Lawinengefahr, in der man viele Eisfälle nur sehr schwer erreichen konnte, setzte dann das große Tauwetter ein. Bei Temperaturen konstant über dem Gefrierpunkt und hohen Regenmengen stand vor der Fahrt die Frage im Raum, ob wir uns wirklich nach Senja aufmachen sollten. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und so waren wir Ende Februar auf Norwegens zweitgrößter Insel unterwegs und auf der Suche nach den Eisfällen, die den hohen Temperaturen standhalten konnten. Einen Tag lang kundschafteten wir die Insel aus. Und wir wurden fündig. Das Tauwetter hatte außerdem den Vorteil, dass die Lawinengefahr sehr schnell gebannt war. Die Tage bis zur nächsten Frostperiode verbrachten wir in den höheren Lagen der Insel und konnten dort täglich lohnende Routen klettern.

Unser Schwerpunkt lag in den ersten Tagen auf alpinen Routen am bekannten Berg Hesten und dem etwas weiter südlich des zweithöchsten Berges Stormoa gelegenen Krokelvtinden. An beiden Bergen konnten wir neue Routen eröffnen. Wobei das mit den Erstbegehungen von neuen Routen nicht so einfach ist, denn die Klettergebiete auf der Insel sind zwar weitestgehend bekannt, nicht aber alle Routen, die bereits begangen wurden. Und so steckt in der ganzen Kletterei auf Senja auch jede Menge Abenteuer, was den Aktionen zusätzliche Würze gibt. Mit der nächsten Kaltfront gab es dann auch schnell wieder brauchbare Verhältnisse an den Eisfällen und wir konnten Klemmkeile, Hexen und Pecker mit unseren Eisschrauben tauschen.

Ausgefüllte Tage

Trotz der noch deutlich verkürzten Anzahl an Sonnenstunden sind die Tage im hohen Norden lang. Früh morgens geht es aus den Federn, denn trotz der relativ kurzen Anfahrtszeiten benötigt man – je nach Schneelage – einige Zeit für die Zustiege. Mit gut 1000 m (Breidtinden) sind die Berghöhen zwar überschaubar, allerdings beginnen die Routen mehr oder weniger auf Meeresniveau, so dass die wenigen Stunden Tageslicht schnell vergehen.

Wenn dann gegen 17 Uhr die Nacht hereinbricht, bleibt ein wenig Zeit, um die Kaloriendepots aufzufüllen und den nächsten Tag zu planen, bevor wir zum nächtlichen Naturspektakel kommen: den Nordlichtern. Die Aktivität von Nordlichtern ist in der ersten Nachthälfte meist am höchsten. Natürlich gibt es auch eine App, die die Wahrscheinlichkeit von Nordlichtern mehr oder weniger voraussagt. Wer jedoch tatsächlich Nordlichter sehen möchte, der muss sich nachts nach draußen begeben. Denn wenn der Himmel klar ist, die Sterne funkeln und es plötzlich anfängt am Horizont zu leuchten, kommt der wahre Zauber Senjas zum Vorschein – Momente zum Genießen und Träumen. Ein faszinierendes Ambiente, um einen erfolgreichen Klettertag Revue passieren zu lassen. Wir hätten im Voraus nie gedacht, dass wir bei dieser schlechten Wetterprognose so viele tolle Routen klettern würden. Nicht auszudenken, wie die Möglichkeiten hier bei perfekten Bedingungen sind. Gute Aussichten also für die kommenden Jahre!

Eckdaten

Erstmal die Lage checken:

Unsere neuen Routen:

Blazing Saddles (AI4, 300 m, 6 Seillängen) am Hesten North (725 m), 26. Februar 2019, zusammen mit Simon Richardson (Schottland)

Crocodile Gully (AI5, 120 m + 80 m am anschließenden Grat, 3 Seillängen) am Krokelvtinden (756 m), 28. Februar 2019, zusammen mit Simon Richardson (Schottland)

Cirque (WI4, 170 m, 4 Seillängen) am Botnvatnet Buttres (300 m), 1. März 2019, zusammen mit Simon Richardson (Schottland)

Mit dabei:

Die X-DREAM Eisgeräte sind mittlerweile die Referenzgeräte im anspruchsvollen Eis- und Mixedgelände. Fein ausbalanciert und dank des sehr ergonomischen Griffes haben sie einen wunderschönen Schlag.

Bester Zeitpunkt:

Anfang Februar bis Ende März.

Anreise:

Flug über Oslo zwei Mal täglich nach Bardufoss. Von dort mit dem Mietwagen in zwei Stunden auf teilweise vereisten Straßen an die Nordwestküste der Insel.

Hinweis:

Die Einflüsse des Golfstroms sorgen auf der Insel trotz der nördlichen Lage für unstabile Verhältnisse. Vorsicht also bei plötzlich wechselnden Temperaturen, Überflutungen und vor allem Lawinengefahr!

Kulinarische Empfehlung:

Regionalen Lachs und Kabeljau gibt es hier in bester Qualität.

Empfehlenswerte Unterkunft in Skaland:

» Skagi Senja Hotel & Lodge (www.skagisenja.no)

» Unsere neuen Routen auf Senja Island: alle Topos mit Routenbeschreibung

» Bulletins für Lawinen, Überflutung und Erdrutsche (www.varsom.no)

» Vorhersage-App für Polarlichter (www.aurora-alerts.com)

» Polarlichter aus der Perspektive der ISS (www.youtube.com …)

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