Telemark, Norwegen

Rjukan, Hardangervidda

Die Suche nach perfektem Eis.

Anfang März machten wir uns auf zu einer 17stündige Autofahrt ins Reich der gefrorenen Wasserfälle. Unser Ziel war das norwegische Arbeiterstädtchen Rjukan am Fuße der Hardangervidda.

Rjukan ist ein Mekka für Eiskletterer. Eine Pilgerstädte mit über 150 Eisfällen, phantastisch eingebettet in einer wilden Umgebung. Hier treffen sich jeden Winter für eine kurze Zeit Eiskletterer aus ganz Europa – auf der Suche nach dem perfekten Eisfall. Das tief eingeschnittene Måna-Tal liegt mit Rjukan im Schatten des mächtigen Gaustatoppen, der mit seiner Form dem Fujiyama sehr ähnelt. Hier kommen die Sonnenstrahlen erst wieder nach 5 Monaten zum Sonnenfestival im April in den Ort. Aufgrund dieser besonderen geographischen Lage findet man hier in den kurzen und kalten Wintermonaten perfekte Eisfälle von Weltklasse vor.

Ein Ort mit einer spannenden Vergangenheit

Eine der kühnsten Sabotageaktionen in Norwegen während des 2. Weltkrieges wurde in dem Hollywoodfilm „The Heroes of Telemark“ mit Kirk Douglas verfilmt. Schauplatz war das Wasserkraftwerk Vemork bei Rjukan. Hier wurde im 3. Reich unter deutscher Besatzung schweres Wasser (Deuterium) für den Bau der Atombombe hergestellt. Im Wettrennen um die erste Atombombe befürchteten die Alliierten eine Vormachtstellung der Deutschen. Norwegischen Saboteuren gelang schließlich in einer dramatischen Aktion, die Herstellungsanlagen im Kraftwerk zu zerstören. Heute beherbergt das Wasserkraftwerk Vemork ein sehr interessantes Museum.

Um uns einen Überblick von den aktuellen Eisverhältnissen zu schaffen, besuchten wir in den ersten Tagen klassische Gebiete wie Krokan und Vemork Bridge, bevor es dann an längere Routen in Mæl und Kong Vinter ging. Wir kletterten Routen mit so klangvollen Namen wie Ozzimozzis, King Kong, Haugfossen Øst und Vermorkbrufossen Vest.

Der überwiegende Teil aller Eisfälle ist lawinengeschützt und somit perfekt zum Eisklettern geeignet. Dennoch gibt es eine Reihe von Faktoren, die die Unternehmungen recht anspruchsvoll gestalten: Temperatur und Wetterbedingungen müssen sehr sorgfältig beobachtet werden, denn auf Grund der Nähe zu Atlantik und Nordsee kann schnell einschießende warme Luft erheblichen Schaden an den Eisfällen anrichten. Manche Eisfälle sind sehr problematisch aufgrund dieser kompliziert einzuschätzenden Verhältnisse. So kommt es zum Beispiel bei dem honigfarbenen Lipton und Haugsfossen jeden Winter bis zu zweimal vor, das diese einstürzen und sich anschließend wieder neu bilden. Voraussetzung hierfür sind enorme Wassermengen, die das Gebiet auch im Winter zu bieten hat. Des Weiteren gibt es bestimmte Eisfälle, die von den Kraftwerken als Überlauf genutzt werden. Hier kann es ohne vorherige Anzeichen passieren, dass ein Eisfall geflutet wird und man dann in der Falle sitzt. Dementsprechend ist sehr wichtig, dass man sich die Eisfälle vorher sorgfältig anschaut!

Nach dem Klettern entspannten wir uns in unserer kleinen Blockhütte, kochten ausgiebig und schärften unsere Eisgeräte für den nächsten Tag. Schließlich klang der Abend mit einem guten Whisky und einer Runde Wizzard aus. Wir spielten mit einem hohen Einsatz: der Verlierer musste in Badehosen einen Eisfall klettern – aber nicht irgendeinen, sondern den Svingfoss direkt an der befahrenen Hauptstraße. Dummerweise habe ich verloren. Und so spürte ich tags darauf endlos viele Augen im Nacken als ich versuchte, beim Pickeln so wenig Eis wie möglich loszuschlagen. Naja, die Zuschauer genossen die Vorführung und hatten ihren Spaß!

Eckdaten

Erstmal die Lage checken:

Anreise:

Mit dem Auto durch Dänemark und via Vogelfluglinie nach Helsingborg in Schweden. In Norwegen Richtung Oslo und dann weiter auf teilweise vereisten Straßen bis nach Rjukan.

Bester Zeitpunkt:

Ende Januar bis Mitte März

Schwierigkeit:

WI2 – 7 (Schwerpunkt WI4 – 5) und M5 – 10

Länge:

Baseclimbs bis 30 m, Mehrseillängen-Routen bis 17 SL in fantastischer Umgebung

Absicherung:

Umlenkungen in der Regel an Bäumen, der Rest ist komplett mit Eisschrauben zu sichern.

Hinweis:

Vorsicht bei plötzlich wechselnden Temperaturen und unberechenbaren Flutungen von Eisfällen durch die Wasserkraftwerke! Außerdem ist in Gebieten wie Mæl und Kong Vinter zu beachten, dass man zu den Routen abseilen und im Anschluss entsprechend wieder hochklettern muss (Notfall)!

Ausrüstung:

60 m Einfachseil bzw. Doppelseil, 12 Eisschrauben

Unsere Routen-Highlights:

» Juvsøyla, Sabotørfossen, Jailhouse Ice, Mæl Haugfossen Øst, Bakveien/Hidden Gully, Ozzimosis, Kong Vinter, King Kong, Vemorkbrufoss Vest

» Infos über Rjukan (www.visitrjukan.com)

» Topo: Verlag Oxford Alpine Club (www.climb-europe.com)

» Topo: Verlag Rockfax (www.rockfax.com)

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