Tipps’n’Tricks
Alpinklettern
Einige Ideen und Anregungen für eine erfolgreiche alpine Klettertour.
Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass das Gesamterlebnis tiefere Eindrückliche hinterlässt als jeder erreichte Gipfel. Dabei habe ich festgestellt, dass für eine erfolgreiche Umsetzung einer geplanten Tour neben dem persönlichen Kletterkönnen viele weitere Fähigkeiten darüber entscheiden, ob man am Berg besteht: Entscheidende Faktoren sind die Organisation vor und während der Tour, die passende Ausrüstung, Routenfindung, die eigene Psyche und das Wissen, wann man am Besten in eine Route einsteigt.
Realistische Tourenplanung
Ungeplante Biwaks sind kein Spaß – und meist auf eine unzureichende Tourenplanung zurück zu führen. Passe Deine geplante Tour den jeweiligen Gegebenheiten an: Hast Du den richtigen Seilpartner für die geplante Herausforderung? Seid Ihr der Tour ausreichend gewachsen, am Limit oder etwa darüber hinaus? Wie steht es mit der Ausrüstung? Stimmen die Wetterverhältnisse? Gibt es Rückzugsmöglichkeiten? Wie sieht es mit Alternativen aus? Wichtig ist auf jedem Fall, in der Seilschaft über diese Punkte zu sprechen! Ist die Tour auf ein Gipfelziel ausgerichtet oder geht es um ein positives Gesamterlebnis? Im zweiten Fall kann die Entscheidung für einen Rückzug souveräner getroffen werden, da der Fokus nicht auf das Erreichen des Gipfels beschränkt ist.
» Klettere die Tour nicht um jeden Preis, sondern nur, wenn die Bedingungen dafür stimmen. Plane frühzeitig Alternativen ein. Dann kannst Du souverän agieren und kommst nicht so schnell in Entscheidungskonflikte mit Dir selbst oder Deinem Partner.
Der frühe Vogel fängt den Wurm
Wenn Du in den Bergen unterwegs bist, solltest Du Dich unbedingt an dieses Sprichwort halten – die Aufbruchzeit entscheidet in vieler Hinsicht über Sicherheit, Erfolg oder Misserfolg Deiner Tour!
Ein Beispiel: Wenn Du zu spät dran bist, wird eventuell eine andere Seilschaft vor Dir in der Route sein. Dadurch wirst Du vielleicht mehr Zeit brauchen, wenn die Seilschaft vor Dir langsamer ist und Du nicht überholen kannst. Die Steinschlaggefahr steigt, denn über Dir können andere Kletterer Steine lostreten – vielleicht musst Du deshalb auch an sicheren Punkten zusätzlich warten oder Du kletterst weiter und nimmst ein höheres Risiko in Kauf. Neuralgische Zwischenpunkte verschieben sich zeitlich nach hinten und zwingen Dich vielleicht frühzeitig zum Abbruch der Tour. Falls Du weiter kletterst, wirst Du zu spät am Gipfel oder am Tagesziel ankommen – oder Du kommst gar nicht an, weil die Dunkelheit hereingebrochen ist und Dich zu einem ungeplanten Biwak zwingt. Falls Rückwege über vergletschertes Gelände führen, wirst Du am Nachmittag viel mehr Zeit und Energie brauchen, denn der Gletscher wird aufgeweicht sein, Spaltenbrücken sind nicht mehr gefroren und zwingen Dich zu längeren Umwegen. Viele Kleinigkeiten über den Tag verteilt haben eine Ursache: den zu späten Aufbruch am Morgen.
» Gehe frühzeitig los und kalkuliere ausreichend Reservezeit ein. Wenn Du zu spät losgehst, wirst Du den ganzen Tag Deiner morgendlichen Nachlässigkeit hinterher rennen – das ist stressig und macht wenig Spaß. Mit ausreichend Zeitpuffer lässt sich der ganze Tag entspannter angehen, Du kannst souveräner agieren und hast dabei mehr Freude, innere Ruhe und objektive Sicherheit. Darüber hinaus solltest Du Dir bewusst sein, dass auch in den Alpen am Nachmittag die Gewitterneigung zunimmt.
Routenfindung
In alpinem Gelände mit schlecht abgesicherten Routen ist die eigentliche Routenfindung oft eines der größten Probleme, denn sie kann zu einem bedeutenden Zeitfaktor werden. Nutze im Voraus alle möglichen Informationsquellen über die Tour: vergleiche Topos und Wandbilder miteinander, sammle Informationen von anderen Kletterern, Berichte aus dem Internet, etc. Im Zustieg kannst Du die Route vielleicht schon aus entsprechender Distanz studieren. Abgespeckte Griffe oder Magnesiumspuren können oft wegweisend sein. Versetze Dich in den Erstbegeher: wenn es sich um eine ältere Route handelt, folgt sie oft Verschneidungen und Rissen. Ist die Route vielleicht noch mit der bis in die 1970er Jahre geschlossenen Welzenbach-Skala bewertet? Neuere Wege sind oft direkter, folgen eher dem besten Fels und sind mit der offenen französischen oder UIAA Skala bewertet.
» Je mehr Informationen Du über die Route hast, desto genauer wird der Plan dafür in Deinem Kopf. Die in die Vorbereitung investierte Zeit holst Du dann am entscheidenden Tag wieder rein! Nutze die Ruhepausen an Standplätzen, um Dir ein Bild von der kommenden Seillänge zu machen.
Leaderfunktion & Rollenverteilung
Gibt es in der Seilschaft einen Anführer oder agieren beide Partner gleichberechtigt? Handelt es sich bei Deinem Partner um eine alpin ausgebildete Person oder ist es Dein Freund, der ein paar Tage mehr Klettererfahrung aufweist? Mit wem auch immer Du zusammen auf Tour bist, die faktische Leaderposition ist entscheidend (Know-how, Erfahrung, emotionale Verantwortung)!
» Wenn die Rollenverteilung und die Funktionen innerhalb einer Seilschaft nicht klar definiert sind, kann dies zu eklatanten Fehlentscheidungen führen – man läuft sich quasi gegenseitig hinterher (einer verlässt sich auf den anderen) und trifft zum Beispiel wichtige Entscheidungen nicht frühzeitig genug.
Meine Empfehlung
Natürlich ist das Kletterkönnen ein zentraler Punkt bei alpinen Touren, trotzdem spielen für eine erfolgreiche Tour oft ganz andere Faktoren eine wichtige Rolle – Know-how und Erfahrung sind hier entscheidend. Man sollte sich also im Vorfeld seine Gedanken machen und planen, um auf veränderte Gegebenheiten spontan und angemessen reagieren zu können.
Gerade Neulingen auf diesem Gebiet empfehle ich, die Sache entspannt anzugehen. Passe die Route Deinem Niveau an. Sonst laufen die Dinge schneller aus dem Ruder als einem lieb ist und die Tour wird unkalkulierbar und riskant. Also besser die Schwierigkeiten langsam steigern (Klettergrad, Länge, Bedingungen, Jahreszeit), Erfahrungen sammeln (dürfen), daraus lernen und bei zukünftigen Touren anwenden. Mit der richtigen Einstellung klappt auch die erfolgreiche Umsetzung der geplanten Tour.
Eigentlich dachten wir „es geht schon“ – die Orientierung war dann mehr oder weniger suboptimal.