Hajar al-Gharbi, Oman

Jebel Misht, 2090 m

Die über 1000 m hohe Südwand des Jebel Misht gilt als die höchste Felswand der gesamten arabischen Halbinsel.

Ein freistehendes Bollwerk aus hervorragendem metamorphem Kalkstein. Die 4 km breite Wand wird im zentralen Teil von einem markanter Pfeiler bestimmt – hierüber verläuft der Klassiker French Pillar. Eine atemberaubende Linie mit einer historischen Aura – laut Toby Foord-Kelcey eine Wüstenversion aus The Nose am El Capitan und dem Walkerpfeiler an der Grandes Jorasses. Die drei Routen haben sicherlich unterschiedliche Charaktere, sind aber von ähnlichem Ausmaß.

Es ist Anfang Dezember, und noch immer herrscht brütende Hitze in weiten Teilen Omans. Tagsüber bewegt man sich also am Liebsten im Schatten. Klettern? Am Besten ganz früh am Morgen und am späten Nachmittag. Bei dem Gedanken, eine 1000 m hohe schattenlose Südwand unter diesen Bedingungen zu klettern, schießen mir zwei Dinge durch den Kopf: Gebratene Hähnchen. Und die Frage, wie wir all das Wasser durch die Route schleppen sollen. Ich erinnere mich an den Versuch einer Besteigung an der Großen Spitzkoppe in Namibia vor einigen Jahren, bei dem wir aufgrund der großen Hitze erbarmungslos gescheitert waren.

Nun also Jebel Misht. Okay, wir haben dazugelernt. Uns ist klar, dass die Wasserversorgung sicherlich der Knackpunkt für eine erfolgreiche Durchsteigung ist. So haben wir auf der Nordseite, über die wir absteigen wollen, im Voraus ein Wasserdepot angelegt – unsere mentale Ziellinie. Außerdem haben wir am Einstieg biwakiert und für den Abend/Morgen eine extra Ration Wasser mitgebracht, so dass wir optimal hydriert in die Route eingestiegen sind. Für die beiden geplanten Tage in der Route inkl. Abstieg über die Nordseite bis zum Wasserdepot haben wir pro Person mit insgesamt 3,5 Liter gerechnet. Nicht unbedingt viel Flüssigkeit, aber es stellte sich heraus, dass es ausreichte. Natürlich gibt es im Oman auch schattige große Wände wie etwa am Jebel Kawr. Aber die Durchsteigung dieser perfekten Postkarten-Traumlinie reizte uns ungemein. Wir waren sehr gespannt darauf. Dieser Klassiker ist nun mal schlicht DIE Linie in der arabischen Welt.

Und täglich grüßt der Muezzin:

Ich möchte an dieser Stelle noch kurz auf den Routenverlauf eingehen. Wir haben bei unserer Begehung drei verschiedene Topos benutzt. Die beste Routenbeschreibung ist unserer Meinung nach von Toby Foord-Kelcey (02.2007) in Kombination mit der Topo von Laliderer (11.2013). Hier nun einige Updates und Korrekturen, die sich als Ergänzung auf diese beiden Quellen beziehen:

1. Der Einstieg ist mit einem großen Steinmännchen markiert. Daneben befindet sich außerdem ein steinschlaggeschützter Biwakplatz für zwei Personen.

2. Der zweite Teil der 2. Seillänge an der losen Schuppenserie lässt sich in steiler Kletterei links sicherer umgehen.

3. Über der Heart-Section kommt man zum Food Stash (Lebensmitteldepot der Erstbesteigung). Kurz danach gibt es hinter einem Block ein Schattenplatz für zwei Kletterer, wo man sich bei Bedarf vor der Sonne verstecken kann.

4. Der Quergang zur Headwall führt zu einem sichtbaren Felsvorsprung/Pfeilerkopf, der im logischen Routenverlauf liegt. Dabei wird der vom Grat aus nicht sichtbare untere Teil des Risses von Make Love Not War gequert.

5. Von diesem Felsvorsprung ist die gesamte Headwall mit seiner Schlüsselseillänge und der weitere Routenführung gut einsehbar.

6. In der Headwall gibt es an drei Ständen mittlerweile je einen Bohrhaken.

7. Der Links-Quergang nach dem 8. Kletterabschnitt zur weiterführenden Verschneidung beträgt ca. 12 m. Die Verschneidung wird sichtbar, nachdem man um einen abdrängenden Felsvorsprung quert.

8. Die Seillängen ab dieser Verschneidung warten mit einigen unangenehmen Stellen auf.

9. Auf dem Gipfel gibt es einen Sendemast mit Schatten unter einem Solarpanel.

10. Den Abstieg über die Nordseite sind wir relativ mittig angegangen und haben uns über den steilen Felsstufen orografisch rechts gehalten (hier abschnittsweise mit Steinmännchen markiert), bis wir die steilsten Passagen überwunden hatten. Danach geht es auf einem der Felsrücken bis nach unten ins Wadi.

Eckdaten

Erstmal die Lage checken:

Erstbegehung:

1979 durch R. Renaud und Freunde (Frankreich). Die 20tägige Besteigung fand im Belagerungsstil mit Fixseilen und Helikopter-Unterstützung statt.

Begehung:

Free onsight ascent am 4. – 5. Dezember 2018, zusammen mit Kirsten Steimel.

Länge:

1100 m

Schwierigkeit:

UIAA VII+/VIII-, Trad E3/5c

Ausgangsort:

Schulgebäude, 4 km östlich von Al Ayn

Ausrüstung:

C4-Camalot #0.1–3 (0.3–0.75 doppelt), 2 Satz Klemmkeile, Schlingen, 50 m Doppelseil.
Doppelseile sind in diesem rauen Gelände definitiv zu empfehlen. Die wenigen 60 m Seillängen voll auszugehen macht bei der Routenführung ohnehin kaum Sinn. Bei den langen Seillängen können auf halber Strecke immer gute Standplätze erstellt werden.

Hinweis:

Jebel Misht ist aufgrund der Größe und Exposition sicherlich einer der ungünstigsten Berge für einen Notfall. Zudem gibt es im Oman keine Bergrettung. Notfall-Szenarien sollten also im Voraus wohl überlegt sein.

GPS-Koordinaten:

Klettergebiete mit bestätigten Koordinaten (GPX: 15 KB)

Klettergebiete mit unbestätigten Koordinaten (GPX: 6 KB)

Points of Interest (GPX: 9 KB)

Trekkingrouten (GPX: 4 KB)
Beschreibung der Trekkingrouten siehe Ministry of Tourism, Oman

» Omanclimbing – Datenbank zu allen Aktivitäten im Lande (www.omanclimbing.com …)

» Unvollständige Übersicht einiger Klettergebiete (www.27crags.com …)

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